Stadt will Post Wipkingen für 2,8 Millionen kaufen – und abbrechen
Das besetzte Gebäude soll weichen, damit der Wipkingerplatz zum Begegnungsort wird. Der Quartierverein hofft auf einen Aufschwung neben der Rosengartenstrasse.
Artikel im Tagesanzeiger von Martin Huber 12.11.2024
Das gibt es nicht alle Tage: Die Stadt Zürich will ein Haus kaufen, um es dem Erdboden gleich zu machen. Nicht irgendein Haus, sondern das 1974 erstellte Postgebäude am Wipkingerplatz in der Nähe des Escher-Wyss-Platzes. Die Kaufabsicht geht aus den vergangene Woche veröffentlichten Nachträgen zum städtischen Budget hervor.
Post 2024
Ziel: Verkehrsberuhigtes Quartierzentrum
«Der Wipkingerplatz ist gemäss Richtplanung ein Quartierzentrum und Fussgängerbereich, der in seiner heutigen Gestaltung den Vorgaben nicht gerecht wird», schreibt der Stadtrat unter dem Posten «Bau von Fussgängeranlagen». In einer Studie habe das Tiefbauamt ein Zielbild für die Weiterentwicklung des Quartierzentrums erarbeitet. «Hierfür bedarf es eines Rückkaufs des Grundstücks mit dem Postgebäude und dessen Rückbaus», schreibt der Stadtrat weiter.
Das Tiefbauamt habe Verhandlungen mit der Post aufgenommen und schliesse diese voraussichtlich im Jahr 2025 ab. «Der aktuell diskutierte, vertraglich noch nicht gesicherte Kaufpreis beläuft sich auf 2,8 Millionen Franken zuzüglich Handänderungskosten.»
Das Tiefbauamt von Stadträtin Simone Brander (SP) bestätigt die Kaufabsichten. Der Richtplaneintrag und eine Motion im Stadtparlament forderten eine attraktive Gestaltung für den Wipkingerplatz, sagt Sprecherin Evelyne Richiger. Ein Abbruch des Postgebäudes erhöhe dabei den Gestaltungsspielraum erheblich und könne zu einer deutlichen Aufwertung des Platzes beitragen. Zudem sei das Postgebäude nicht baulinienkonform.
1950 als die Post noch im Kirchgemeindegebäude war
Post-Sprecherin Jacqueline Bühlmann bestätigt, «dass wir uns in konkreten Verhandlungen mit der Stadt Zürich über den Verkauf der Liegenschaft Zürich Wipkingerplatz befinden».
Das Betongebäude der Post Wipkingen wurde 1974 gleich unterhalb des markanten Wipkinger Kirchgemeindehauses erbaut. Weil das Postgebäude damals mit einer Ausnahmeregelung ausserhalb der Bauzone errichtet wurde, kann es laut Vertrag nur für postalische Zwecke genutzt werden; für eine andere Nutzung der Liegenschaft bräuchte es eine Bewilligung der Stadt.
Post kurz nach dem Bau 1973
Schalter seit 2017 geschlossen
2017 gab die Post die Filiale Wipkingen auf, was auf Proteste im Quartier stiess. Seit 2022 steht das Postgebäude leer, im Juni 2023 wurde es besetzt. «Leerstand ist kein Zustand!», verkündeteten die Aktivistinnen und Aktivisten damals, die Unterstützung vom Quartierverein und von SP, Grünen und AL erhielten. Die Besetzung dauert bis heute an, wie die Post bestätigt.
Inzwischen ist die Post Wipkingen auch im Stadtparlament zum Thema geworden. Die SVP forderte im April per Motion einen Park anstelle des Postgebäudes. Früher sei der Standort der Post eine Freifläche gewesen, diese solle durch den Rückbau der Post wieder der Bevölkerung zurückgegeben werden, heisst es in der SVP-Motion.
1945 Parkanlage mit Bäumen
Der Stadtrat erteilte der Forderung nach einem Park im September eine Absage. «Aufgrund der vielfältigen Nutzungsansprüche an den Platz soll am Wipkingerplatz kein Park entstehen, sondern ein Begegnungs- und Aufenthaltsort mit unterschiedlichen Funktionen», schrieb er.
1969 Wipkingerplatz
Laut Tiefbauamt-Sprecherin Richiger existieren noch keine genauen Pläne für den Wipkingerplatz. Im Frühling 2025 will das Tiefbauamt das Quartier zur Mitwirkung einladen. Quartierzentren sollen als «attraktive Aufenthalts- und Begegnungsräume» gestaltet werden, mit mehr Grünflächen und Verkehrsberuhigungsmassnahmen. Bis zur Umsetzung am Wipkingerplatz dürften allerdings noch mehrere Jahre verstreichen.
1931 Kurz nach dem Bau des ref. Kirchgemeindehauses
SVP-Gemeinderat Johann Widmer findet es stossend, dass die Stadt nun den Rückbau der Post finanzieren soll. Die Post solle das Grundstück der Stadt in dem Zustand übergeben, in dem sie dieses damals übernommen hat. «Wir fordern die zuständige Stadträtin auf, diesen Punkt von der Post nachdrücklich zu fordern», sagt Widmer.
1940 Wipkingerplatz mit Park und Bäumen
Die Grünen befürworten den Kauf des Gebäudes und eine öffentlich Nutzung. «Eine Weiternutzung der alten Post muss an erster Stelle stehen, bevor ein Abriss erwogen wird», sagt Co-Fraktionschef Jürg Rauser. Mit dem öffentlich zugänglichen Dach gebe es schon heue ein öffentlicher Freiraum, wenn auch mit grossem Verbesserungspotenzial. Entscheidend sei, dass der Wipkingerplatz verkehrlich beruhigt wird.
«Das kann Wipkingens Paradeplatz werden»
Beni Weder, Präsident des Quartiervereins Wipkingen, begrüsst die Kaufabsicht der Stadt und den geplanten Abbruch der Post, um an Wipkingerplatz mehr Raum für den Fuss- und Veloverkehr zu realisieren. Die Quartierbevölkerung wünsche sich seit langem eine Aufwertung dieses Gebiets direkt neben der stark befahreren Rosengartenstrasse. «Der Wipkingerplatz könnte zu Wipkingens Paradeplatz werden», sagt Weder. Ihm schwebt eine Flaniermeile zwischen dem Wipkingerplatz und dem Röschibachplatz vor.
Haus der Diakonie
Veränderung gibt es auch direkt neben dem Postgebäude Wipkingen. Die reformierte Kirche Zürich wird das Kirchgemeindehaus Wipkingen – bei der Eröffnung 1932 das erste Hochhaus der Stadt – für 50 Millionen Franken sanieren und als Haus der Diakonie neu eröffnen.
Vorstudie bereits 2011
Schon 2011 war das Quartier an einem Mitwirkungsverfahren beteiligt. Damals endete dieses ohne Umsetzung. Die Vorstudie findet man hier:
Vorstudie Wipkingerplatz Schlussbericht vom 15.8.2011 SNZ Ingenieure / TAZ
Runder Tisch 2005 “Wipkingerplatz quo vadis?”
An P.Müller
Genau dies Möglichkeit wurde von der Immobilienabteilung der Stadt Zürich geprüft, aber verworfen: Der Einbau der vorgschriebenen Infrastruktur (WC, Anlagen, Zugang, etc) in das marode Postgebäude wäre viel zu teuer geworden.
Quartierverein Wipkingen
Verpasste Möglichkeit
Man hätte die ehemalige Post anstelle eines Provisoriums für das GZ Wipkingen während der Umbauphase nutzen können. Die Mensa der gegenüberliegenden Viventa Schule hätte vorübergehend als Café für das Gemeinschaftszentrum dienen können. Dies hätte die Möglichkeit geboten, einen lebendigen Eindruck des Wipkingerplatzes zu gewinnen.
Ressourcenschonend und bestehender Infrastruktur Nutzung für viele statt für wenige Schüler und Besetzende…
“Schalter seit 2017 geschlossen”, “2017 gab die Post die Filiale Wipkingen auf” – der Tagi hat schlecht recherchiert und verbreitet Fake News. Die Poststelle am Wipkingerplatz 7 ging schon 2004 zu, danach gab’s die in den Coop an der Scheffelstrasse gequetschte eigenbetriebene Filiale, siehe etwa https://wipkingen.net/poststelle-im-coop/. Ab 2017/18 hat man das Ganze dann ausgelagert an zwei Agenturen (alias “Filialen mit Partner”, Coop und 26 Rose Garden, heute VOI Migros-Partner).
Toll auch, wie TAZ & Co. jahrzehntelang im Verborgenen wursteln und der Schlussbericht einer “Vorstudie” eines Ingenieurbüros sagenhafte 13 Jahre (!) nach Ablieferung den Weg in die Öffentlichkeit findet.
Hallo A. Huber. Das Quartier war nicht unwissend, da es dieses Vorhaben schon sehr lange angestossen (Rückkauf Post und Mitwirkung Gestaltung Wipkingerplatz) hat. Den Schlussbericht von 2011 finden sie hier:
https://wipkingen.net/wp-content/uploads/2024/11/3730-Schlussbericht.pdf
Quartierverein Wipkingen
Es ist bedauerlich, dass das Quartier erst über den Finanzplan 2025 davon erfährt. Es wäre richtig gewesen an dieser Stelle sehr frühzeitig die Anwohnerinnen und Anwohner mit einzubinden. Es wäre interessant mal die Studie vom Tiefbauamt einzusehen – wo ist diese verfügbar?
Auch ich denke, dass es gut wäre die Post an dieser Stelle in die Pflicht zu nehmen. Aber aktuell ist das mit dem Service-Public wohl vorbei – die Post-“Immobilienverwaltung” steht nicht im geringsten hinter “Swiss Life” oder anderen Spekulanten zurück. Ein Glück, dass die ehemalige leerstehende Postfiliale im Sommer 2023 endlich besetzt wurde! Hoffentlich feiert die Jugend dort noch einige gute Parties.
A. Huber, Wipkingen
Das der Wipkingerplatz neu gestaltet werden muss steht ausser Frage. Er ist noch ein Relikt der Autofreundlichen und Fussgängerfeindlichen Zeit der ende 60er / anfangs 70er Jahre. Das Postgebäude wird aus architektionischen, energetischen und technischen Gründen den heutigen Ansprüchen nicht mehr gerecht. Daher macht es auch Sinn dieses misslungene Mahnmal in Beton-Brutalismus zu gegebener Zeit abzubrechen. Mit zu gegebener Zeit meine ich, wenn ein gutes, ausgereiftes und bewilligtes Projekt für die Neugestaltung des Platzes auf dem Tisch liegt. Auf keinen Fall ein Abriss auf Vorrat! Das gäbe ein Brache. Die Nutzung durch die Besetzung scheint problemlos zu sein und etwas Leben an den Ort zu bringen. Sehr lobenswert ist die Balkonbegrünung! Die Post als Eigentümerin war anscheinend dazu nicht in der Lage. Aus meiner Sicht machen es die Besetzer:Innen besser.