Post Wipkingerplatz erneut besetzt – diesmal für länger
In der Nacht auf den 25. Juni 2023 wurde das leerstehende Postgebäude am Wipkingerplatz wieder besetzt. Diesmal wollen die Besetzerinnen länger bleiben.
Mitteilung der Besetzerinnen:
“Hallo Zureich, hallo Wipkingen:
JETZT GEHT DIE POST ABER WIRKLICH AB
Wir haben gute News: Wir sind zurück! In der Nacht auf Sonntag, den 25.6. haben wir den ersten Stock des alten Postgebäudes am Wipkingerplatz 7 im Zuge einer Eröffnungsparty wiederbesetzt.
Die Räumlichkeiten am Wipkingerplatz sind seit 2017 ungenutzt und die Post bewies mit der vorschnellen Räumung am 2. Juni ein weiteres Mal, dass das gemäss ihrer Vorstellung auch so bleiben soll.
Aber wem nutzen jahrelang leerstehende Gebäude mitten im Zentrum? Wie lässt sich das rechtfertigen? Bereits das leere EWZ-Gebäude in unmittelbarer Nähe wurde nach der ungerechtfertigten Räumung kurzerhand mit Paletten gefüllt, um eine Nutzung vorzutäuschen. Diesmal nehmen wir uns unseren Raum zurück, bevor die Post die Räumlichkeiten am Wipkingerplatz mit leeren Paketen füllt! Leerstand ist kein Zustand!
Das Postgebäude wurde 1970 ausserhalb der Baulinie gebaut, was allein durch eine Ausnahmebewilligung des Hochbaudepartements möglich war. Diese ist gebunden an eine Nutzung für «postalische Tätigkeiten» als Teil des Service Public.
Schon vor dem Leerstand wurde die Post dem öffentlichen Interesse dieser baulichen Extrawurst längst nicht mehr gerecht: Als letztes war dort die Swiss Post Solution einquartiert, ein profitorientiertes, mittlerweile globales Unternehmen und «Weltmarktführer im Outsourcing von innovativen Dienstleistungen» für Banken und Versicherungen.
Wir finden: Das Gebäude am Wipkingerplatz 7 soll ganz im Sinne des Service Public wieder öffentlich werden und nehmen deshalb die Sache selbst in die Hand.
Wir wollen autonome Konzerte, Partys und politische Veranstaltungen ohne jeglichen Konsumzwang. Wir wollen einen Ort, der sich der kapitalistischen Stadt in den Weg stellt. Wir wollen ein Zürich für viele statt für wenige. Wir brauchen neue Perspektiven für diese Stadt!
Deswegen sind wir wieder da und hoffen, dass diesmal ein konstruktiver Dialog mit der Post möglich ist. So einfach wird sie uns nicht los!
Wir freuen uns, die Türen dieses Hauses schon bald wieder für Menschen zu öffnen und das Quartier rund um den Platz zu beleben.”
Gemäss Angaben von ZüriToday war die Polizei in der Nacht kurz vor Ort und ist dann wieder abgezogen. Scheinbar sind die Voraussetzungen für eine kurzfristige Räumung nicht gegeben.
Der Zugang über die Postterrasse und über die Treppe wurde von den Besetzerinnen verrammelt.
Update 26.6.2023
Die Pöstler:innen teilen mit:
Anfangs, wenn die Situation mit den Besitzer:innen und der Polizei noch nicht geklärt ist, ist es leider nicht möglich, die Türen immer offen zu haben. Die Gitter sind inzwischen aber schon alle wieder weg. Und unsere Türen sind im Laufe der nächsten Woche so häufig wie möglich geöffnet: Praktisch jeden Abend gibt es ein kleines Programm: Essen, Bar, Filme, etc. und die Menschen aus dem Quartier sind dazu herzlich willkommen.
Bericht auf Tele Züri 25.6.2023
Liebe Nachbar*innen der Post
Es tut uns leid, dass wir einigen unter euch vor gut einer Woche den
Schlaf geraubt haben.
Wir haben unterschätzt, wie ringhörig, bzw. wie schlecht isoliert die
Post ist.
Es war und ist nicht unser Ziel, euch zu entzürnen. Dass
unterschiedliche Bedürfnisse und Perspektiven aufeinandertreffen ist
unvermeidbar, dass unterschiedliche Interessen bestehen und diese immer
wieder verhandelt und besprochen werden müssen auch; aber dass es
letztes Wochenende zu laut war, ist auch uns klar und dafür bitten wir
um Entschuldigung.
Die guten Nachrichten an euch:
Das Sound-System ist längst wieder über alle Berge verschwunden. Wir
wissen nun, wie schlecht dieser Raum schallisoliert ist und werden nicht
so schnell wieder eine Party organisieren. Wir werden uns nun an die
Arbeit machen, um die Post besser zu isolieren.
Vorerst sind keine Partys mehr geplant. Für den 17. August ist ein
kleineres Konzert vorgesehen. Relativ früh am Abend. Wir sind froh, wenn
ihr uns danach rückmeldet, wie die Lärmbelastung war. So können wir
abschätzen, wieviel erste Isolierungsmassnahmen genützt haben.
Noch mehr freut es uns natürlich, wenn wir die einen oder anderen von
euch am Konzert antreffen werden.
Wir sind offen für Rückmeldungen (postsquat@systemli.org, per
Briefkasten oder persönlichem Besuch) und hoffen auf einen konstruktiven
Austausch und ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis.
Liebe Grüsse
Die Pöstler*innen
Mir geht es ähnlich, wie oben schon beschrieben. Die nächtliche Beschallung mit dem durch alle Mauern des Quartiers dringenden Bass, ist nicht gerade im Sinne eines nachbarschaftlichen, gegenseitig respektvollen und toleranten Umgangs miteinander. Es haben bereits Menschen vor der Besetzung hier im Quartier gelebt, die Kinder haben, morgens früh raus müssen und nicht nächtelang von einem Bass beschalt werden wollen. Ich bin auch dafür, dass das Gebäude kein Leerstand bleibt. Unterstütze es, dass der Raum sinnvoll zwischengenutzt werden kann. Aber mit Parties in einem Gebäude, das nicht ausreichend dafür isoliert ist, wird der Raum in meinem Augen, nicht sinnvoll und wohlwollend genutzt. Es wäre grossartig, wenn der Quartierverein mit den Besetzer*innen das Gespräch suchen könnte. Ein „kleines Programm“, an dem auch das Quartier teilhaben kann, ist für mich etwas anderes, als die Leute, die hier leben, mit lauten Bässen den Schlaf zu rauben.
Gleiche Botschaft auch von mir, Einhaltung der Nachtruhe ist nicht einfach ein Nice-to-have. Nachtruhe dauert von 22 bis 7 Uhr (einzig am Wochenende und während der Sommerzeit erst ab 23 Uhr).
“Der Squat” hat sich anfänglich hinter postsquat@systemli.org versteckt, Zitat aus dem Flugblatt vom 2. Juni: “Wir wünschen uns einen wohlwollenden Austausch mit den Menschen im Quartier”. Wohlwollen setzt vor allem Anstand und Respekt der Neuankömmlinge voraus.
Weil ich nicht weiss, wie mich sonst an Sie wenden soll: Nachtruhe könnten au Besetzer*innen einhalten… Die Nachbarschaft, welche Sie ja retten wollen, besteht aktuell eben genau aus Durchschnittseinwohner*innnen , welche arbeiten müssen (teils im Schichtbetrieb). Donnerstagnachts um 24:30 ist einfach kein Zeitpunkt für eine Party, an der das ganze Quartier wohl oder übel vom Bett aus teilhaben muss…