Kommunikation

Der Bestatter: Wie mein «Hinterteil» ins Fernsehen kam

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Ab Januar strahlt das Schweizer Fernsehen die neuen Folgen der Serie «Der Bestatter» aus – inklusive Kulisse und Personal aus dem Waidspital. Der Erlebnisbericht einer Statistin.

Artikel aus der Hauszeitung des Waidspitals vom Januar 2015, von Claudia Jenny vom Notfall

Dort, wo alle wichtigen und unwichtigen Informationen hängen (nämlich am Medikamentenkühlschrank im Stationszimmer), sah ich den Aushang: «Statisten und Statistinnen für die vierte Staffel ‹Der Bestatter› gesucht. Gedreht wird in der Pathologie des Waidspitals.»
Das war meine Chance! Einmal dabei sein, bei einer Produktion des Schweizer Fernsehens! (Lieber hätte ich neben George Clooney gedreht, aber Mike Müller war auch ok.) Sofort meldete ich mich bei Frau Lipp und war erstaunt, dass ich die erste Interessentin war. Der Zettel hing immerhin schon zwei Wochen… Ich sollte später erfahren, weshalb das so war.
Ich malte mir aus, welche Szenen auf mich zukommen könnten: Ich würde dem erschöpften Bestatter den Blutdruck messen und von Hand (!) den Puls fühlen… Ich würde Dr. Semmelweis bei der Obduktion des Opfers zur Seite stehen, ihm den Schweiss von der Stirne wischen und ihm verständnisvoll zulächeln… Ich würde mit der Kommissarin durch die dunklen Gänge des Waidspitals rennen, den Mörder verfolgen und ihr Personenschutz geben…

Die Leiche trinkt Kaffee

An besagtem Dienstagnachmittag erschien ich sehr pünktlich am Treffpunkt. Im Innenhof, zwischen Spitalküche, der Abteilung BO und dem Technischen Dienst, standen Festbänke, ein Sonnenschutz-Zelt, Kaffeemaschinen, Getränke und es war ein reges Kommen und Gehen von Schauspielern, Technikern, Visagistinnen, Regisseur, Regieassistentinnen, Assistenten von Regieassistentinnen… Das Mordopfer sass «oben ohne» (der aufgemalte Y-Schnitt der Obduktion war genau zu erkennen) bei Kaffee und Kuchen und las im Skript den Text seiner nächsten Szene (auch wenn ein Toter möglicherweise nicht mehr viel Text hat, es macht immer Eindruck, wenn man konzentriert in ein dickes Drehbuch reinschaut.)
Natürlich hoffte ich, Mike Müller in der Pause zu erwischen oder sonst ein bekanntes TV-Gesicht der Schweizer Filmszene, aber diese schienen alle in den heiligen «Dreh-Hallen» des Waidspitals in Action zu sein.
Warten ist im Filmbusiness normal; also war ich hocherfreut, als nach einer halben Stunde ein schlaksiger Jüngling, auch mit dickem Drehbuch unter dem Arm, auf uns zukam (Isabelle von der Medizin war die Zweite im Bunde der Statistinnen) und sich als Statistenverantwortlicher vorstellte. Der Dreh sei zeitlich etwas verzögert, man werde uns aber rechtzeitig abholen, so dass noch Zeit für die Maske bliebe, teilte er uns mit. (Gottseidank, denn durch einen professionellen Pinselstrich waren sicherlich noch einige Falten zu kaschieren.

Endlich, der Jüngling winkt…

Es war ein herrlich warmer Sommernachmittag an jenem Drehtag. Isabelle und ich sassen draussen, beobachteten die Backstage-Szene und warteten auf unseren Einsatz. Zum Glück war es schönes Wetter… denn wir sollten noch zwei Stunden warten auf unseren Auftritt. Endlich, der «Jüngling» winkte uns hinunter in die Pathologie, zum Filmset. Der enge Gang der Pathologie war vollgestopft mit Kameras, Bildschirmen, Scheinwerfern, Mikrofonen an Teleskopstangen, Tonmischpulten und Kisten voller Kabel. Unzählige schwarz und salopp gekleidete, cool und entspannt dreinschauende Menschen mit zerzausten Frisuren huschten durch den Gang und bedienten die diversen Gerätschaften.
Wir werden in einem dunklen Seitengang abgestellt. Der Jüngling macht uns durch Zeichensprache klar: «Warten und Ruhe geben.»
Die Szene «Dr. Semmelweis und Frau Kommissarin diskutieren am Obduktionstisch, über die Leiche geneigt, die Möglichkeit einer Vergewaltigung des Opfers» ist noch nicht im Kasten. Zehn Wiederholungen dieser Szene gewähren uns Einblick in den Schauspieleralltag. Zehnmal stürmt die exaltierte und aufgelöste Frau Kommissarin aus dem Obduktionssaal raus, hyperventiliert, lehnt sich gegen die Wand und kotzt auf den Boden. Mit offenem, wehendem weissen Kittel rennt Dr. Semmelweis hinter ihr her und versucht sie zu beruhigen. Zehnmal mindestens!
In der Zwischenzeit kommt endlich unsere Visagistin; mit dickem Bauchgurt voller Pinsel, Puderquasten, Bürsten, Kämmen, Haarsprays und vielem mehr. Sie mustert mich und Isabelle im dunklen Seitengang, tupft uns einmal auf die Nase, zupft drei Haare von links nach rechts und fi xiert diese mit viel Haarspray. Das Styling sei wichtig, wegen des Scheinwerferlichtes!

Siebenmal drehen

Die laufende Szene mit der aufgelösten Kommissarin scheint nun endlich im Kasten zu sein. Isabelle und ich werden für unsere Szene instruiert: Frau Kommissarin hat den Ober-Kommissar über mögliche Todesursachen aufgeklärt, mitten im Gespräch läutet sein Smartphone, kurzes Telefonat, halbe Drehung nach links und ab durch die Drehtür im Vollspurt an Isabelle und mir vorbei, die wir den Leichenwagen mit zugedeckter Leichen-Attrappe durch den Gang schieben… Fünfmal proben, siebenmal drehen, Kamera im Rücken. Wofür genau wurden wir abgepudert und frisiert?
Irgendeine siebte Assistentin der Regieassistenz weist mich beim Durchlauf Nummer fünf an, drei Zentimeter weiter nach links vom Leichenwagen zu stehen. Ausserdem meint sie, es sei noch ungewiss, ob die Szene nicht doch rausgeschnitten werde…
Ob nun also mein Hinterteil, verpackt in währschaftem, weissen Spitaltuch, im düsteren Halbdunkel der Pathologie vom SWZ über die Bildschirme des Feierabendprogrammes des SF1 huschen wird, wissen nur die Götter und Mike Müller…
Einen Nachmittag lang in die Film- und Promiwelt des Schweizer Fernsehens eintauchen zu können war aber ohnehin so spannend und erlebnisreich, dass es auf ein «Hinterteil » mehr oder weniger nicht ankommt!

 

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