Historisch

Wipkingen – Spiegel des grossen Wandels

Die Geschichte des Zürcher Stadtquartiers Wipkingen, zwischen Verkehrsprojekt und Reurbanisierung

Masterarbeit von Daniel Konrad Jung – Universität Zürich Historisches Seminar Master Applied History, Prof. Dr. Tobias Straumann

Innovation und ein starker Gemeinschaftssinn. Wipkingen hat in seiner Geschichte immer wieder Pioniergeist bewiesen. Hier stand das erste Hochhaus der Stadt (das Kirchgemeindehaus), eine der damals modernsten Schulen der Schweiz (Schulhaus Waidhalde) und der erste Robinson-Abenteuerspielplatz.

Dieser Geist setzt sich bis heute in zahlreichen privaten und kommunalen Initiativen fort, vom Kulturprogramm im ehemaligen Bahnhofsbüro bis hin zu Urban-Gardening-Projekten und neuen Erholungsräumen. Der aktive Quartierverein hat eine entscheidende Rolle bei der Förderung eines positiven, proaktiven Ansatzes für die Stadtentwicklung gespielt, der sich auf die Verbesserung der Lebensqualität konzentriert, anstatt nur gegen störende Projekte zu protestieren. Dies hat ein starkes Gefühl der Solidarität und des gemeinschaftlichen Engagements hervorgebracht.

Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass Wipkingen ein Mikrokosmos für den breiteren städtischen Wandel ist, der sich durch seine Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit auszeichnet. Wipkingen hat sich von einem vom Verkehr geplagten Stadtteil zu einem begehrten, gemeinschaftsorientierten Viertel entwickelt, das eine hohe Lebensqualität bietet und den Druck des städtischen Wachstums mit einem Engagement für Erschwinglichkeit und lokale Initiative ausgleicht.
 
Über den Autor
Daniel Konrad Jung ist der Sohn des bekannten Wipkinger Taxi Unternehmers Koni Jung, der seinen Betrieb an der Breitensteinstrasse führte. Er ist in Wipkingen aufgewachsen und hat seinen Vater als Aktivist im Quartierverein Wipkingen miterlebt.
 

Der zyklische Wandel von Wipkingen

Die Geschichte des Zürcher Stadtquartiers Wipkingen spiegelt die grossen Zyklen der Stadtentwicklung der letzten zwei Jahrhunderte wider, von der Urbanisierung und Industrialisierung über die Suburbanisierung bis hin zur heutigen Phase der Reurbanisierung. Ursprünglich ein Dorf, war die Eingemeindung Wipkingens nach Zürich im Jahr 1893 eine Folge des massiven Bevölkerungswachstums, das die Gemeinde alleine nicht mehr bewältigen konnte. Es ist durchweg ein Wohnquartier geblieben, das historisch Industriearbeiter beherbergte und heute Fachkräfte der Wissensökonomie aufnimmt.

Der tiefgreifende und nachhaltige Einfluss der Verkehrspolitik

Die Verkehrspolitik hat die Entwicklung Wipkingens nachhaltig geprägt. Der Bau der Eisenbahn in den 1850er Jahren und vor allem der Westtangente im Jahr 1972 haben das Quartier physisch zerschnitten. Diese Projekte, angetrieben vom Glauben an unbegrenztes Wachstum und dem Vorrang des Automobils, stellten den Verkehrsfluss über die Wohnqualität. Diese Ära der expansiven, autozentrierten Planung steht im starken Kontrast zu heutigen Strategien, wie der Umgestaltung des Röschibachplatzes in eine fussgängerfreundliche «Begegnungszone», die heute als Vorbild für die zukünftige Stadtentwicklung in Zürich dient.

Reurbanisierung und der Aufstieg einer «neuen Mittelklasse»

Seit einem Tiefpunkt in den 1990er Jahren, geprägt von Bevölkerungsrückgang und den sozialen Herausforderungen der offenen Drogenszene am Letten, hat Wipkingen einen bedeutenden Wiederaufschwung erlebt. Diese Reurbanisierung wird von einer «neuen Mittelklasse» getragen, die jünger, gut ausgebildet und umweltbewusst, aber nicht zwingend hochverdienend ist. Diese Bevölkerungsgruppe schätzt die Vorteile des Stadtlebens wie kurze Arbeitswege, kulturelle Angebote und eine dynamische Gemeinschaft, was mit dem Wandel hin zu einer wissensbasierten Wirtschaft und flexibleren Lebensstilen einhergeht.

Ein Modell für moderate Gentrifizierung und Gemeinschaftsgeist

Die Gentrifizierung in Wipkingen war im Vergleich zu anderen Zürcher Stadtteilen relativ moderat. Ein wesentlicher Faktor ist der hohe Anteil an gemeinnützigem und genossenschaftlichem Wohnraum, wobei fast jede dritte Wohnung einer Genossenschaft oder der öffentlichen Hand gehört, was zur Erhaltung erschwinglicher Mieten beiträgt. Die Entwicklung des Quartiers ist durch die Sanierung des älteren Baubestands anstelle von grossflächigen Neubauten gekennzeichnet. Die negativen Auswirkungen der Westtangente könnten auch Grossinvestoren abgeschreckt und so eine aggressivere Gentrifizierung verhindert haben.

Innovation und ein starker Gemeinschaftssinn

Im Laufe seiner Geschichte hat Wipkingen einen Pioniergeist bewiesen. Hier standen das erste Hochhaus der Stadt (das Kirchgemeindehaus), eine der damals modernsten Schulen der Schweiz (das Schulhaus Waidhalde) und der erste Robinsonspielplatz. Dieser Geist setzt sich heute in zahlreichen privaten und gemeinschaftlich geführten Initiativen fort, vom Kulturprogramm im ehemaligen Bahnhofreisebüro über Urban-Gardening-Projekte bis hin zu neuen Erholungsräumen. Der aktive Quartierverein hat eine entscheidende Rolle bei der Förderung eines positiven, proaktiven Ansatzes zur Stadtentwicklung gespielt, der sich auf die Verbesserung der Lebensqualität konzentriert, anstatt nur gegen störende Projekte zu protestieren. Dies hat einen starken Sinn für Solidarität und bürgerschaftliches Engagement gefördert.

Fazit

Die Arbeit kommt zum Schluss, dass Wipkingen ein Mikrokosmos grösserer städtischer Transformationen ist und einen widerstandsfähigen und anpassungsfähigen Charakter zeigt. Es hat sich von einem verkehrsgeplagten Quartier zu einem begehrten, gemeinschaftsorientierten Stadtteil entwickelt, der eine hohe Lebensqualität bietet und den Druck des städtischen Wachstums mit einem Bekenntnis zu Erschwinglichkeit und lokaler Initiative in Einklang bringt.

Masterarbeit Wipkingen Spiegel des grossen Wandels – Daniel Konrad Jung Universität Zürich

Wipkingen unterstützen

 

Kommentar verfassen