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Umstrittene «Wipkinger Schlange» bleibt – der Quartierverein wehrt sich

Der Stadtrat fegt eine Begegnungszone auf der Nordbrücke vom Tisch. 

Artikel im Tagesanzeiger vom Samstag 5.7.2025 von Patrice Siegrist, Foto: Silas Zindel

Beni Weder ist ein unzufriedener Gewinner. Der Wipkinger Quartiervereinspräsident liegt seit längerem mit der Stadt Zürich im Streit. Im Zentrum steht die umstrittene «Wipkinger Schlange» –  in roter Mehrzweckstreifen auf der Nordbrücke. Das Verkehrsregime wurde im Sommer 2021 testweise eingeführt und gilt bis heute.

«Illegal» findet das Weder. Er ist überzeugt: Spätestens nach dem Testversuch hätte die alte Verkehrsanordnung wiederhergestellt werden müssen.

Doch juristisch konnte der Quartierverein bislang nicht dagegen vorgehen. Es gab nie eine öffentliche Planauflage oder einen anderen städtischen Entscheid, der juristisch angreifbar gewesen wäre. Deshalb hat der Quartierverein vor einigen Monaten einen Anwalt eingeschaltet. Dieser erstritt nun eine Verfügung. «Ein Teilerfolg! Endlich können wir das aktuelle Regime juristisch
bekämpfen», sagt Weder.

Das Verkehrsregime in Wipkingen sorgt für Unmut. Die rote Farbe auf dem Asphalt soll signalisieren, dass hier Zufussgehende überall queren dürfen, aber keinen Vortritt mehr haben. Besonders zu Beginn irritierte das viele.

Lob von der Stadt Zürich, Kritik aus dem Quartier

Der Quartierverein und Stimmen im Stadtparlament kritisierten den Mehrzweckstreifen. Es komme zu gefährlichen Situationen. Besonders für Ältere, Kinder oder Sehbehinderte zu Fuss habe sich die Lage deutlich verschlechtert.

Die Stadt hingegen sprach im Frühling 2023 von einem erfolgreichen Test, wollte im darauffolgenden Herbst Fakten schaffen. Die öffentliche Auflage für die Neugestaltung der Nordbrücke mitsamt neuem Verkehrsregime kündigte sie für den Herbst 2023 an. Doch es folgten ein monatelanges, stadtinternes Ringen und ein Planungsstillstand.

In Zürich sind bei Strassenprojekten oftmals mehrere Dienstabteilungen involviert. Neben der Dienstabteilung Verkehr von Karin Rykart (Grüne) und dem Tiefbauamt von Simone
Brander (SP) sind es oft auch die Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) von Michael Baumer (FDP).

Gemäss Informationen dieser Redaktion plädierten offenbar die Dienstabteilung Verkehr und das Tiefbauamt für Vortrittsrechte für die Zufussgehenden. Entsprechende Alternativen wur-
den geprüft.

Zum Beispiel eine Begegnungszone, wo Fussgänger Vortritt haben und Autofahrerinnen maximal 20 km/h fahren dürfen. Ein Argument dafür war: Geschwindigkeitsmessungen der Stadt haben gezeigt, dass aktuell die Hälfte der Autos nicht schneller als Tempo 20 fahren.

Aber die VBZ sperrten sich gegen eine weitere Temporeduktion, angeblich auch wegen Sicherheitsbedenken im Haltestellenbereich.

Weil die Abteilungen bis zuletzt keine Einigung finden konnten, liessen sie den Konflikt bis ganz nach oben eskalieren: zum Stadtrat. 

Eine Sprecherin des federführenden Tiefbaudepartements kommentiert keine Interna. Sie bestätigt aber, dass jetzt, zwei Jahre nach Testende, der Stadtrat sich für eine Variante ausgesprochen habe.

Die Stadtregierung will am aktuellen Regime festhalten. Eine Begegnungszone ist vom Tisch. Der Mehrzweckstreifen verbessere die Sicherheit, finde Akzeptanz bei den Verkehrsteilnehmenden und fördere einen ruhigeren, flexibleren Verkehr.

Der Entscheid dämpft Beni Weders Freude über seinen Teilerfolg. «Dass der Stadtrat wieder Fakten schafft, ohne mit dem Quartier eine gemeinsame Lösung zu finden, ist bedauerlich», sagt er.

Weil die Planung für die definitive Neugestaltung der Nordbrücke zwischenzeitlich sistiert war, wird die Stadt ihre Pläne frühstens Ende 2026 öffentlich auflegen. Bis die Bauarbeiten beginnen, dauert es noch Jahre.

Beni Weder will Verfügung der Stadt anfechten

Für Beni Weder sind es weitere Jahre, in denen ein «illegaler» Zustand herrscht. Deshalb bekämpft er den aus dem Versuch heraus erwachsenen Status quo weiter.

In der erstrittenen Verfügung zäume die Stadt das Pferd von hinten auf, sagt Weder. Sie begründe den gewollten Status quo, stelle sich aber weiterhin auf den Standpunkt, dass es dafür keinen Mitwirkungsprozess gebraucht habe. «Das sehen wir anders, und darum werden wir die Verfügung anfechten», sagt er.

Für die Bewohnerinnen und Bewohner von Wipkingen bedeutet das: Die Schlange bleibt – zumindest vorerst.

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