Wo ist Hannibal?
Hannibal Buri und seine Hündin Lillifee zählten jahrelang zu den Stammgästen auf dem Röschibachplatz. Dann verschwanden sie auf ein Mal. Der Grund ist ein trauriger.
Bild: Hannibal Buri im Patientenzimmer mit Blick auf “sein” Wipkingen.
Von Roman Wasik
“Ich glaub morn am 9 läb ich nüme. Wenn du das ghörsch, lüt mer bitte zrugg. Denn machemer das na gschnell”. Die Sprachnachricht von Christoph Buri, den seit Jahrzehnten alle Hannibal nennen, erreichte mich im Schlaf, kurz nach Mitternacht Mitte Dezember. Bemerkt und abgehört habe ich sie am frühen nächsten Morgen. Der Rückruf sorgte für Erleichterung: Hannibal lebt! Noch…
Seit Monaten wurde Hannibal nicht mehr im Quartier gesehen. Dieser hagere, vom Leben und noch mehr vom Lebensstil gezeichnete Luzerner Wipkinger. Ein 61-jähriger IV-Rentner, der seit 11 Jahren stets in Begleitung seiner Hündin Lillifee unterwegs war und gerne auch mal mit mobiler Soundanlage den Röschibachplatz beschallte. Dieser, als Punk-Schlagzeuger bekannte Musiker, der seit Jahren zum Erscheinungsbild Wipkingens dazugehörte. Und dann eben plötzlich fehlte.
Am Tag vor seiner dramatischen Sprachnachricht haben wir zum Interview abgemacht. Um 9 Uhr im Gesundheitszentrum für das Alter Käferberg. Dort wird Hannibal nach mehrfachen Spitalwechseln zurzeit medizinisch betreut.
Und wer kümmert sich um ihren Lebertumor?
Vor zwei Jahren begann sich Hannibal plötzlich schlecht zu fühlen. Die unerklärlichen Magenprobleme behandelte er bloss mit Medikamenten, ohne sich gross weiter untersuchen zu lassen. Bis er im Spital landete. “Und wer kümmert sich eigentlich um ihren Lebertumor?”, fragt irgendwer dann irgendwann bei der Auswertung eines MRIs. Für Hannibal ein Schock. Vier Jahre nach den regelmässigen Kontrollen seines operierten Lebertumors galt er als krebsfrei. Danach waren keine Kontrollen mehr angezeigt. Hannibal schien geheilt und gesund. Es folgte eine Reise durch verschiedene Spitäler und Gesundheitseinrichtungen. Hannibal blickt aus dem Fenster seines Patientenzimmers im Käferberg: “Mir fehlt Wipkingen und mir fehlt Lillifee!”. Seine 11-jährige Hündin lebt als Zwischenlösung bei seiner 89-jährigen Mutter in Luzern. Jeden Tag geht ein Bekannter mit ihr spazieren und am Wochenende kann sie zu einer Familie mit Kindern. “In meinem Zustand kann ich mich nicht um Lillifee kümmern. Es bricht mir fast das Herz!”.
Das Solo-Album als letzter Wunsch
Am wohlsten fühlt sich Hannibal in seiner Wohnung an der Zeunerstrasse direkt beim Landenbergpark. Hier hat er sich sein eigenes Sound-Studio eingerichtet. Hier tüftelt er seit Jahren an seinem Solo-Projekt «Hannibal’s Joker». Doch auch dieses Projekt kränkelt. Der letzte Gitarrist war zwar begnadet, aber auch nur bis zur nächsten Dose Starkbier. Hannibal selbst ist seit Jahren trocken und im kontrollierten Drogenkonsum. “Die Dosierung des Methadons ist zu schwach, die sind sich das hier oben nicht gewohnt”. Hannibal zittert. Was er in einem Altersheim verloren hat, weiss er nicht. Er denkt über Spitex-Betreuung zuhause nach. Seine Mahlzeiten beschränken sich auf nahrungsergänzende Yoghurts. Mehr lässt sein kranker Körper nicht mehr zu. Eine Magensonde ist der wohl nächste Schritt. Und das MRI, das klären soll, ob sein Tumor Metastasen streut.
Hannibal ist nach einer Stunde Gespräch erschöpft. Weihnachten verbringt er in Luzern mit seinem Bruder, Hund Lillifee und seiner Mutter. Und wünscht sich, dass es endlich vorwärts geht mit seiner Solo-Platte. Er habe einen neuen Gitarristen gefunden, einen Multi-Instrumentalisten. «Jetzt heisst es kämpfen», sagt Hannibal, während die Ärzte von Endstadium sprechen. Nach einer Stunde verabschiede ich mich. Ich bin schon beinahe aus dem Zimmer, als mir Hannibal hinterherruft: «Und falls ich doch gli sött de Löffel abgäh, schriib, ich bin so dankbar, dass ich so lieb z’Wipkinge ufgnoh worde be».