Wipkingen wird bald der Place-to-be sein
Das als Quartier unterschätzte Wipkingen bietet Dorfleben in der Stadt. Dort, wo es nämlich grün ist, ist es städtisch – und wo es grau ist, ist es ländlich.
Dramatiker und Schauspieler Daniel Mezger lebt in Wipkingen. Lesen Sie seine – übrigens durchaus ernst gemeinte – Ode an Wipkingen.
Ich wohne am Dorfrand. Ziemlich genau in der Mitte vom Kreis 10 und dennoch doppelt ausserhalb. Wipkingen-West. Manche behaupten, das sei schon Höngg-Ost. Aber manche haben natürlich unrecht: Meine Patentante wohnt eine Strasse weiter, und schon als Kind war ich zu Besuch hier im Dorf und habe die Wegweiser nach Höngg gelesen. Und wo der Wegweiser ist, ist noch nicht der Ort. Diesen Wegweiser kenne ich gut, ich habe ihn oft studiert, er war besser als all die Geschichten darüber, dass der Samichlaus in diesem oder jenem Wald wohne. Hier schlug mein Herz schneller, hier war der Beweis, dass es «Ich-bi-dä-Chasperli-us Züri-Höngg» wirklich gab.
«Du kannst nicht in Leipzig über Zürich schreiben!», sagt die Freundin, mit der ich drei Tage lang durch Leipzig radle. Man radelt weit, ohne überall hinzukommen, Leipzig ist gross und hat alles, was Zürich nicht hat: Platz. «In der einen Stadt sein und über eine andere schreiben, das funktioniert nicht.» «Ich schreibe über keine Stadt, ich schreibe über Wipkingen», sage ich. Sie sagt: «Ach so», und wir radeln schweigend weiter.
Erschienen im Tagesanzeiger vom 13.8.08.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.