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Rücktritt der Quartiervereinspräsidentin

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Tages Anzeiger 9.4.07
Regionalausgabe Zürich,

Mit Ursula Wild* sprach Monica Müller

ursula wild

Frau Wild, weshalb sind Sie als Präsidentin zurückgetreten?

Ich war sechs Jahre Präsidentin und möchte es nun dem Vorstand ermöglichen, mit frischem Elan neue Felder zu bestellen. Dazu ge­sellt sich eine gewisse Amtsmüdig­keit. Dass ich an der Generalversammlung die Nerven verloren habe, zeigt, dass die Zeit reif war für einen Wechsel.

Was hat Sie so aufgebracht?

Die Haltung gewisser Leute. Diese unterstellen uns, nicht das Beste fürs Quartier zu wollen, «verkehrsgläubig» und unkritisch zu sein und nicht alles in unser Macht Stehende zu tun, um die Situation an der Rosengartenstrasse zu entschärfen. Das stimmt einfach nicht: Ich bin nicht verkehrsgläu­big, und ich arbeite ergebnisorien­tiert. Aber es geht nicht darum, möglichst laut zu werden, sondern Probleme politisch zu lösen.

Wie?

Wir haben 2004 eine Umfrage durchgeführt, um das weitere Vor­gehen basisdemokratisch abzu­stützen: Rund drei Viertel der Wipkinger befürworteten eine Tunnel­lösung. Darauf bauten wir auf. Wir haben das Komitee Waidhaldetun­nel unterstützt und im gleichen Masse die IG Westtangente Plus. Nötig wären jetzt ein Transitver­bot für Lastwagen und eine neue Beschilderung auf den Autobah­nen, damit der Privatverkehr die Nordumfahrung wählt. Diese Vorstösse sind im Kantonsrat hängig -und teilweise schon abgeblitzt. Als Quartierverein sind wir nicht für kantonale Strassen zuständig, und die «Rosengartenfrage» ist eine Nummer zu gross für uns.

Sind Sie zufrieden mit dem einge­schlagenen Weg?

Es gibt keine 100 Prozent befriedigende Lösung, auch nicht mit dem Waidhaldetunnel. Die Wipkinger brauchen realistische Lösungen, nicht prononcierte Meinungen. Da muss man auch etwas pragmatisch sein. Die Gegner des Waidhaldetunnels sind gegen die Erhöhung der Verkehrskapazität per se. Das ist leider eine Utopie.

Was regt Sie an der Position Ihrer Gegner derart auf?

Ich habe den Verdacht, dass ei­nige Kantonsräte mit dem Status quo ganz zufrieden sind. Sie be­treiben mit dem Thema Wahl­kampf, indem sie die Leute bei ih­rem Frust abholen und so politisch punkten wollen, ohne ernsthaft an einer Lösung interessiert zu sein. Das ist einfach nicht redlich. Ich will diese Haltung keiner Partei unterstellen, vielmehr ist es die Versuchung eines jeden Politikers.

Es geht um Stimmungsmache?

Ja. Statt Sachpolitik wird auf Eti­ketten wie «rechts» und «links» ausgewichen. Das führt zu nichts. Um sachorientierte Lösungen zu erarbeiten, müssen verschiedene Standpunkte eines Problems be­leuchtet und diskutiert werden. Es hat mich verletzt, dass man mir un­terstellt hat, undifferenziert und blind bürgerlich zu sein, bloss weil ich FDP-Parteimitglied bin.

An der GV sind die Fetzen geflogen. Ist dies typisch für Wipkingen?

Wipkingen ist sehr politisch. An der Generalversammlung sitzen die Linken links, und die Rechten rechts. Die Rosengartenstrasse trennt das Quartier in zwei Lager: Limmataufwärts denkt man eher sozialdemokratisch, limmatabwärts eher bürgerlich.

In Ihrer Amtszeit hat sich die Zahl der QV-Mitglieder verdoppelt.

Ich finde es toll, wenn sich die » Bevölkerung am politischen Leben ;. beteiligt. Wenn man aber in einem Quartier nicht zusammenspannt, verliert man. Die Gegner sind nicht die Leute aus dem Quartier, die eine andere Lösung suchen.

Die Gegner sind alle andern, die sich nicht darum scheren, was im Quartier läuft. Es ist schade, wenn man sich nach innen zerfleischt, anstatt gemeinsam nach aussen zu kämpfen.

Was kann ein Quartierverein eigentlich erreichen? Hat er überhaupt Einfluss?

Er hat eine wichtige PR-Funktion. Wenn etwas in einem Quartier völlig schief läuft – sei es bezüglich Städtebau oder Verkehrsplanung -, dann hört im besten Fall die Stadtregierung auf uns. Im häufigeren Fall reagiert sie, wenn wir die Presse einbeziehen.

Wie aufwändig war das Präsidium?

Das zeitliche Engagement war nicht so riesig, psychisch war es aber anstrengend. Fürs Präsidium arbeitete ich etwa 6o Stunden im Jahr, zusammen mit anderen Auf­gaben waren es etwa 300 Stunden. Viele davon habe ich für Texte in­vestiert. Um die Leute anzuspre­chen, muss die Kommunikation professionell sein.

Sie bleiben im Vorstand?

Ja, aber nicht mehr an vorderster Front. Ich habe eine dezidierte Meinung, möchte aber nicht mehr zuoberst auf der Barrikade sitzen.

* Ursula Wild ist 51 Jahre alt und lebt seit 1989 in Wipkingen. Die gelernte Juristin arbeitet freiberuflich als Texterin. Von 2001 bis 2007 präsidierte sie den Quartierverein Wipkingen.

 

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