Städtebau

Röschibachplatz: Fortsetzung von Züri-West?

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Am 28. Juni lud die Stadtverwaltung zu einem Informationsabend ein, um über das Bauprojekt am Röschibachplatz zu berichten. Geplant ist der Abriss des Bahnhofs und des Restaurants Nordbrücke zugunsten eines Hochhauses, wie es Wipkingen noch nicht gesehen hat.

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Der neue Röschibachplatz mit Hochhaus: An der Info-Veranstaltung wurden keine Pläne abgegeben, weshalb diese Skizze das Projekt nur ungefähr wiedergeben kann (Zeichnung: Pierino Cerliani).

Das Publikum war handverlesen: Circa 20 QuartiervertreterInnen aus den Kreisparteien, von den Quartierlüüt und vom Quartierverein Wipkingen fand sich im Kirchgemeindesaal Guthirt ein, um sich von einer mehrköpfigen Delegation der Stadtverwaltung (inkl. Stadträtin Martelli) über die Neugestaltung des Röschibachplatzes informieren zu lassen.

Wie der verantwortliche Architekt E. Consolasscio erklärte, wurde die erste Projektidee, die zwei schmale hohe Türme vorsah, nunmehr verworfen. Dadurch würde die öffentliche Nutzung im Erdgeschoss zu stark eingeschränkt, denn ein eventueller Grossverteiler brauche genügend Platz für die unterirdische Anlieferung, was mit den alten Plänen nicht zu realisieren sei.

Auch eine Überdeckung der Geleise sei städtebaulich nicht opportun. Ausserdem betonte Urs Schlegel von der SBB, dass es wichtig sei, die Dienstleistungsqualität von gut frequentierten Bahnhöfen aufrechtzuerhalten, weshalb ein Neubau sich aufdränge.

Grünsteifen zur Badi Letten

Nun ist statt der beiden schlanken Türme ein einziger, relativ wuchtiger Bau vorgesehen. Eine geschwungene Fussgängerbrücke soll die Geleise überqueren und zu einem flacheren Bau auf der gegenüberliegenden Seite führen.

Positiv: Der Grünstreifen entlang den Geleisen hinunter zur Badi Letten wird ausgebaut und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Begeisterung der Bauherren und der Stadtverwaltung konnten die Wipkinger QuartiervertreterInnen auf Anhieb nicht teilen. Das Projekt wurde allgemein als zu gross dimensioniert empfunden, selbst von jenen, die vom Prinzip her einen Neubau bejahen.

Der nächste Schritt ist ein Gestaltungsplan, und gemäss Zusicherung der Stadtverwaltung soll vor 2008 nicht gebaut werden.

Ebenfalls wurde versprochen, dass die QuartiervertreterInnen regelmässig über das Projekt informiert werden.

Ursula Wild
Präsidentin QVW

 

Fotomontagen und Schattendiagramme des geplanten 40 Meter Hochhauses beim Bahnhof Wipkingen:

Bahnhof_Wipkingen_Nordstr_Titel

Roeschibachplatz_Neu_Ueberbaut_Titel

SchattendiagrammsommerKlein

SchattendiagrammwinterKlein

 

18. März 05: Der Heimatschutz nimmt Stellung

 

18. März 05: Offizielle Stellungnahme des Quartiervereins zum Verwaltungsgerichtsentscheid:

Abriss in Wipkingen – wenn Privatinteressen öffentlich werden

Warum gibt das Verwaltungsgericht den Bahnhof Wipkingen und das Restaurant Nordbrücke zum Abriss frei?

Erstens sind die beiden Bauten eigentlich schutzwürdig.

Zweitens: Würde man renovieren statt abreissen, ist keine vernünftige Rendite zu erwirtschaften.

Drittens und angeblich ausschlaggebend für den Abriss-Entscheid: Dem Röschibachplatz fehlen gemäss Urteil die «prägende Raumform» und die «Aufenthaltsqualität», weswegen er in seiner heutigen Form kein «urbaner Ort» sei (dies die städtebaulichen Argumente des Stadtrates).

Das tönt sehr gebildet, aber wir haben in Wipkingen nichts davon gemerkt. Wir machen am Röschibachplatz unsere Quartierfeste, unsere Flohmärkte, unser Open-Air Kino und unsere Skateboard-Rennen.

Weil aber der Rahmen unserer Quartieraktivitäten offenbar «städtebaulich defizitär» ist, sollen im «öffentlichen Interesse» zwei Hochhäuser entstehen – beide deutlich höher als die umliegenden Häuser.

Wohlgemerkt: Die bei einer Renovation tiefe Rendite (2.1%), die jetzt tiefe Ausnützungsziffer (Restaurant Nordbrücke 66%, Bahnhof 41%) spielen bei diesem Entscheid angeblich lediglich eine untergeordnete Rolle.

Es ist das «öffentliche Interesse», das die beiden schutzwürdigen Objekte zum Abriss frei gibt. Dieses öffentliche Interesse musste schon oft herhalten – unter anderem werden damit verfaulte Kellerbalken, die kein Mensch sieht, für teures Geld auf alle Ewigkeit geschützt.

Weder der Quartierverein noch die Wipkinger Bevölkerung (die wohl für eine seriöse Abklärung des «öffentlichen Interesses» beizuziehen wären) wurden in punkto Röschibachplatz je nach ihrer Meinung gefragt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird viel verständlicher, wenn man das vielbeschworene «öffentliche Interesse» mit «Privatinteressen» ersetzt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts kostete zwar fast 17’000 Franken, ist aber für die Bauherren SBB und Gastro-Unternehmer Fred Tschanz ein Vielfaches davon wert.

Der Quartierverein wird sich dafür einsetzen, dass die Wipkinger/innen ihr «öffentliches Interesse» in die definitive Platzgestaltung einbringen.

Ursula Wild
Präsidentin Quartierverein Wipkingen

Frau Wild

 

7. März 05: Medienmitteilung des Quartiervereins

 

23. Februar 05: Das Urteil des Verwaltungsgerichts

 

14. Januar 05: Stellungnahme des Quartiervereins zum Gutachten Prof Ueli Zbinden

 

5. März 05: Wertvoll, aber dennoch frei zum Abbruch

Von Jürg Rohrer, Tagesanzeiger, Samstag, 5. März 2005

Das Verwaltungsgericht stuft das Restaurant Nordbrücke und den Bahnhof Wipkingen zwar als Schutzobjekte ein, hält ihren Abbruch aber für zulässig.

Zürich. – Die SBB und der Gastrounter-nehmer Fred Tschanz (Odeon, Bau-schänzli) wollen den Bahnhof Wipkingen und das Restaurant Nordbrücke durch eine Neuüberbauung samt Hochhaus ersetzen. Der Stadtrat begrüsst das Vorhaben und hat deshalb vor drei Jahren die beiden Gebäude aus dem Inventar der Schutzobjekte entlassen. Dagegen rekurrierte der Zürcher Heimatschutz, blitzte aber zuerst bei der Baurekurskommission und jetzt auch beim Verwaltungsgericht ab – bei Letzterem aber nur knapp.

Das Verwaltungsgericht nämlich, gestützt auf ein Gutachten der kantonalen Denkmalpflegekommission, hält die beiden Gebäude durchaus für wichtige Zeitzeugen. Das Wohn- und Wirtshaus Nordbrücke wurde 1894 am Knoten mehrerer Verkehrswege gebaut, also kurz nach der Eingemeindung und der Verlängerung der Nordstrasse von Zürich her. Es zeugt vom Anfang der Verstädterung von Wipkingen und dominiert wegen seiner markanten Lage am Brückenkopf das Ortsbild. Der Bahnhof, 1932 nach Plänen von Emil Schlaginhaufen erbaut, ist ein Beispiel der gemässigten Moderne und trägt mit seinem gedrungenen Uhrturm ebenfalls zur Identität des Röschibachplatzes bei.

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Teure Rüge

16 766.90 Franken verlangt das Verwaltungsgericht für seinen Entscheid im Fall Nordbrücke: 10 000 Fr. Gerichtsgebühr, 6326.90 Fr. Gutachten, 440 Fr. Zustellung. Üblicherweise muss die unterliegende Partei bezahlen, in diesem Fall wäre das der Heimatschutz. Doch das Verwaltungsgericht bürdet die Hälfte der Kosten dem Stadtrat auf, wei! er es versäumt habe, ein Gutachten der städtischen Denkmalschutzkommission einzuholen und die Detail-Inventareinträge erst auf Verlangen des Gerichts eingereicht habe. So habe das Gericht die erforderlichen Abklärungen nachholen müssen, Urs Spinner, Sprecher des Hochbaudepartementes erklärt, die Denkmalschutzkommission berate zwar den Stadtrat, schreibe aber kerne Berichte. Dass das Gericht aber auch die Inventareinträge erst auf Nachfrage erhalten habe, sei auf Vergessen zurückzuführen, (jr)

 

Trotz der Schutzwürdigkeit der beider Bauten weist das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Heimatschutzes ab. Es gewichtet – gestützt auf ein Gutachten vor Architekt Ueli Zbinden – das öffentliche Interesse an einer Neuüberbauung hohe] als das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Baudenkmäler.

Das von der Rosengartenstrasse gebeutelte Quartier braucht laut Gutachten an der Nordbrücke ein neues Zentrum, das mit seinen öffentlichen Dienstleistungen und einem Platz identitätsstiftend sein kann. Der Röschibachplatz wäre dazu in der Lage, braucht jedoch auf der Seite der Gleise eine klar definierte Bebauung, die dem Platz einen Rahmen gibt. Das Verwaltungsgericht kommt zum Schluss, dass die städtebaulichen Defizite des Röschibachplatzes mit dem Erhalt des Bahnhofs und des Restaurants nicht beseitigt werden könnten. Deshalb gelte es, die Beurteilung des Stadtrates zu respektieren, der für die Siedlungsentwicklung verantwortlich sei.

Im letzten Oktober hatte das Verwaltungsgericht in einem ähnlichen Fall für den Heimatschutz und gegen den Stadtrat entschieden: Das Haus Rosengarten in Kreis 4 darf nicht abgebrochen werden weil es der städtebauliche Aufwertung des Kalkbreite-Areals nicht im Wege steht.

Wie geht es an der Nordbrücke weiter? Nach Auskunft von Bruno Kläusli, den Präsidenten des Zürcher Heimatschutzes wird sich möglicherweise der Schweizer! sehe Heimatschutz bemühen, wenigstens den Bahnhof zu erhalten, allenfalls mit dem Gang ans Bundesgericht. Die SBB wollen sich zu ihren Plänen erst äussern, wenn das Verfahren über die Schutzwürdigkeit der Bauten abgeschlossen ist.

 

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