Kultur

Kunstraum R57 3m2 Fotoausstellung Thomas Krempke

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Artikel in der NZZ von Christoph Egger

18 m² geteilt durch 3 m² gleich 43: Solcherart Rechenexempel könnte man anstellen angesichts der derzeitigen Ausstellung im nur gerade 18 Quadratmeter grossen ebenerdigen einen Raum an der Röschibachstrasse 57 in Wipkingen. Seit 2007 bespielen Nico Lazúla sowie der Grafiker und Typograf Ruedi Staub diesen Kunstraum R57.

Rauchen zum Schauen

43 Fotografien hat der 1957 in Zermatt geborene Zürcher Fotograf und Filmtechniker Thomas Krempke in kleinen Serien versammelt, um ein Bild jener 3 Quadratmeter zu geben, die seinen Tagesablauf markant strukturieren. Frühmorgens, spätabends und an den Wochenenden auch dazwischen steht er zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter auf seinem Balkon und raucht und schaut sich dabei die Welt um ihn herum an, die er seit Jahren kennt und die eben nie ganz genau die gleiche ist.

Die Kamera kommt zwar nicht automatisch mit nach draussen, aber wenn der Lauf der Welt und der Gang der Dinge es erfordern, ist sie schnell aus der Wohnung geholt. Anlass zu ihrer Inbetriebnahme kann ebenso gut ein Ereignis im unmittelbaren Nahbereich sein – ein Lichteinfall, die Katzenpfotenspuren in einem Neuschneefleck, der Schattenwurf eines Wasserglases auf dem Balkontisch – wie ein Vorgang unten auf der Strasse, hinter dem Fenster im Haus gegenüber oder oben im Himmelsblau.

Krempke hält es also nicht mit Auggie, jenem von Harvey Keitel dargestellten Besitzer eines Tabakladens in Brooklyn, der in Wayne Wangs und Paul Austers Film «Smoke» (1995) jeden Morgen um acht von immer derselben Stelle aus die Kreuzung vor seinem Laden fotografiert und dieses Dokument des Verstreichens der Zeit in Tausenden von Schwarzweissbildern in seinen Alben aufgehoben hat. Ihm geht es um den zufälligen Moment, der sich ebenso in einer Bewegung wie in einem Zustand manifestieren kann.

Thomas Krempke ist gewiss nicht der einzige Fotograf, der seine Arbeit reflektiert. Wohl aber einer der wenigen, die diese Reflexion auch sprachlich zu fassen wissen. Das zeigt er in seinem fotografischen Tagebuch, das er seit Jahren auf Reisen so gut wie unterwegs im Alltag führt, und das illustrieren auch die «Merksätze», die in dieser konzentrierten Ausstellung auf die Wand projiziert werden. «Mein Fotografieren ist eine Art waches Träumen», sagt er da etwa, «eine verschlüsselte Version meines Lebens», und dass ihm das «Magische» an der Fotografie zu sein scheine, «dass sie die Welt neu erfindet, indem sie sie ein zweites Mal erschafft».

Krempke ist ein Erzähler und als solcher ein Liebhaber der Miniatur. Gezwungenermassen, liesse sich sagen, da sich von den wenigsten Balkonen herab Weltgeschichte dokumentieren lässt. Wohl aber sind es hier Geschichten einer Welt, die den zweiten Blick braucht, um das nur scheinbar impressionistisch Erfasste zu entschlüsseln. Etwa beim Auto, das kaum zu sehen ist, bei dem ein Schatten aber verrät, dass da jemand die Autotür geöffnet hat und im Begriff ist, auszusteigen.

Andeutung und Auslegung

Ein andermal wechselt blitzschnell der Fokus zwischen Pflanze im Vordergrund und Farbflecken unten auf dem Trottoir, die sich jetzt als Herr und Hund erweisen. So erfolgen die Spurensicherungen gleicherweise im Neuschnee wie bei der Textur des Balkonbodens, so ist der Fotograf ebenso Könner der Andeutung wie der Auslegung. «Wahrnehmung ist wirklich ein sehr schönes Wort der deutschen Sprache», sagt Thomas Krempke. «Und jenseits der Worte ein flüchtiger Zustand.»

Die Ausstellung dauert noch bis Freitag 14.3.14

Öffnungszeiten

Mittwoch bis Freitag 17-20 Uhr

Samstag 14-17 Uhr

Finissage

Freitag 14. März 17-20 Uhr

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