Städtebau

Kronenwiese Einzonung

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Über das Leidwesen mit Arealüberbauungen in den Quartieren und die Wichtigkeit der Solidarität der Quartiere.

Von Beni Weder, Präsident Quartierverein Wipkingen

Verdichtetes Wohnen aufgrund des Druckes auf den Wohnungsmarkt

Die Diagnose ist klar: In der Stadt Zürich herrscht Wohnungsnot, die Leerwohnungsziffer schwankt zwischen 0.1 und 0.5% – nötig wären aber 1 -2%. Das Freizügigkeitsabkommen mit der EU hat den Druck auf den Wohnungsmarkt zusätzlich erhöht. Allein in der Stadt Zürich sind die Quellensteuerabgaben der zugewanderten erwerbstätigen EU Bürger von bisher 35 Mio auf 140 Mio angestiegen!

Die Politik glaubt eine Antwort auf das Problem gefunden zu haben. Die Operation heisst «verdichtetes Bauen» und das Medikament «Arealüberbauung».

Arealüberbauungen schaffen massive Rechtsungleichheit

Arealüberbauungen erlauben eine wesentlich dichtere und lukrativere Bewirtschaftung von Grundstücken als die normalerweise geltende Bau- und Zonenverordnung (BZO). Wer nach den normalen Bauvorschriften nur schon seinen Dachstock ausbauen will, hat einen gewaltigen Marsch durch die Amtsstuben vor sich. Die Fenster müssen einzeln bewilligt werden (von einer sogenannten Ästhetikkommission) und dürfen nicht grösser sein als 80 x 120 cm.

Wohl dem, dessen Grundstück 6000 Quadratmeter oder grösser ist: Für den gelten die Sondervorschriften der Arealüberbauung. Damit sind Bauten bis zu 7 Stockwerken plus Dachgeschoss zulässig – auch in Zonen, wo die Nachbarn nur drei Stockwerke haben dürfen. Es ist selbstredend, dass diese hohen Bauten die umliegenden Regelbauten entwerten, weil sie ihnen die Sonne und die Aussicht verstellen. Entsprechend gross ist der Widerstand der Anrainer. (Beispiele: Triangoli, Tièchestrasse, Triemli, Ringling, Rautistrasse und viele andere).

Arealüberbauungen müssen «gestalterisch besonders gut» sein

Die Behörden argumentieren, die Arealüberbauungen seien quartierverträglich, weil sie – im Gegensatz zu Regelbauten – gestalterisch besonders gut sein müssen. Ob etwas besonders gut gestaltet ist, entscheidet eine Jury, die der Stadtrat bestellt. Als «schön» bewertet wurde zum Beispiel die CeCe-Überbauung in Affoltern. Über die Schönheit entscheidet der Stadtrat allein – das Parlament wird nicht gefragt, und schon gar nicht die Leute in Affoltern.

Es ist schwierig, der Quartierbevölkerung zu erklären, warum Arealüberbauungen eine derart massive Verdichtung mittels „einfachem Verwaltungsentscheid“ erlauben. Aus unserer Sicht ist absehbar, in welche Richtung sich solche Siedlungen entwickeln. Die Grossüberbauungen in der Grünau bieten dazu trauriges Anschauungsmaterial.

Das Quartier hat nichts dazu zu sagen, es trägt nur die Folgen.

Arealüberbauungen sind keine gute Antwort auf die Wohnungsknappheit

Gegen grössere Gebäude ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber die zwei Kriterien 6000 Quadratmeter und «gestalterisch besonders gut» greifen offensichtlich zu kurz. Die Anforderung «gestalterisch besonders gut», ist wie man sieht, ein sehr dehnbarer Begriff. Als rechtliches Kriterium ist es geradezu willkürlich. Wenn sowieso jeder Klotz durchgewinkt wird – es also nur um die Verdichtung geht – wäre es praktikabler und gerechter, einfach alle Wohnzonen aufzustocken und somit jedem Eigentümer ein oder zwei Stockwerke mehr zu erlauben.

Die Grenzmarke 6000 Quadratmeter führt ebenfalls zu seltsamen Resultaten. Da werden Grundstücke zusammengeklaubt und dazu gekauft, um die magische Zahl 6000 zu erreichen. Mit Arealüberbauungen lässt sich Geld verdienen, die Regelbauweise gemäss BZO ist im Vergleich eine sehr unattraktive Variante für die Bauherren.

Stadtentwicklung ist nicht gleich Quartierentwicklung

Auch hier auf der Kronenwiese ist zu befürchten, dass wiederum geklotzt und gehotzt wird. Neben diesem Grundstück steht das alte Schindlergut, ein stattliches Gebäude, das nach der Überbauung der Kronenwiese zwergwüchsig daherkommen könnte. Verdichtetes Wohnen JA, mehr Wohnungen JA. Aber ohne die Quartiere? NEIN. Es geht nicht, dass der Stadtrat mehr oder weniger autokratisch bestimmt, wie Zürich in ein paar Jahren aussieht. Die bisher realisierten Arealüberbauungen stehen bereits als Mahnmale in der Peripherie.

Wir fordern mehr Rechtsgleichheit und eindeutige, quartierverträgliche Regeln für Grossbauten. Und wir appellieren an die anderen Quartiere, sich in diesem Fall solidarisch zu zeigen, damit sie in ähnlichen Fällen auf die Solidarität der anderen Quartiere zählen können.

Mediendoku vom 4.11.2008

 

Kronenwiese – eine Mogelpackung?

Kolumne von Roger Suter, ZürichNord 14.1.2010

roger suter

Sie erinnern sich: Ende November 2008 stimmten wir über die Umzonung der Kronenwiese ab. Der Stadt- und der Gemeinderat wollten die Wiese, die seit Jahren zweigeteilt vor sich hin wucherte, in eine gemeinsame Bauzone W4 umteilen und damit endlich mit dringend notwendigen Wohnungen bebauen können.

Dagegen regte sich Widerstand: fundamentaler Art von denen, welche die Wiese als ökologisch wertvolle Fläche erhalten wollten, dezidierter aus dem Quartier, das ein weiteres Hochhausprojekt befürchtete.

Zu Recht, ist man nun versucht zu sagen. Zwar ist noch kein Hochhaus in Sicht (der Wettbewerb soll noch in diesem Quartal starten), doch spricht der Stadtrat in seiner Weisung an den Gemeinderat nun von 95 Wohnungen anstelle der rund 60, von denen in der Abstimmungszeitung 2008 die Rede war. Genauere Abklärungen und eine Testplanung hätten diese Zahl ergeben, die immer noch «quartierverträglich» sei. Diesem Begriff misstrauen inzwischen nicht nur die Höngger im Rütihof, welche die Überbauung «Ringling» bekämpfen. Die Stadt muss sich die Frage gefallen lassen, wieso man im Abstimmungskampf mit so realitätsfremden Zahlen operieren konnte.

 

 

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