Kultur

Isolde Schaad – «Schreiben ist mein Element» seit 1979 in Wipkingen

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Die Zürcher Schriftstellerin Isolde Schaad aus Wipkingen, ins Bild gesetzt von der Fotografin Ayse Javas.

Der Frühling hatte es in sich. Im März ist Isolde Schaads neuester Erzählband mit dem Titel «Am Äquator» erschienen, an der Leipziger Buchmesse stellte sie das Buch bereits einem internationalen Publikum vor, dann, ebenfalls im März, wurde sie für ihr literarisches und publizistisches Werk mit der Goldenen Ehrenmedaille des Kantons Zürich ausgezeichnet, und eben erst, Anfang Juni, hat sie ihr Buch an den Solothurner Literaturtagen präsentiert. Isolde Schaad ist Schriftstellerin aus Leidenschaft. Schreiben ist ihr Element. Oder wie sie es sagt: «Schreiben ist mein Medium, ich geniesse es, mit Sprache Bilder und eine ganze Welt zu erschaffen.»

Rund um den Bauch

Schreiben ist aber für Isolde Schaad auch knochenharte Arbeit. Schreiben ist ein Metier, es ist keine «l’art pour l’art». Mit dem Schreiben will sie den Dingen auf den Grund gehen. Zuerst ist da eine Idee, ein Stoff, der sie interessiert. Dann sammelt sie Material dazu, sie recherchiert in der Literatur, im Internet und sie forscht dort, wo das Leben stattfindet. Ausgangspunkt ihres aktuellen Buches «Am Äquator» war die Restauration des Bildes «Die Wahrheit» von Ferdinand Hodler im Kunsthaus. Auf dem Bauch auf einem rollenden Holzgerüst liegend wurde das darunterliegende Bild, das eine ausgemergelte, nackte junge Frau zeigt, von der Restauratorin von Schmutz und Staub befreit. Da lag also Bauch auf Bauch, das ergab die Inspiration zur Geschichte «Erhöhte Temperatur», in der ein älterer frustrierter Restaurator sich in einen Mädchenakt verguckt. Von da an sah Isolde Schaad überall Bäuche, im Schwimmbad fielen ihr besonders die Neun-Monatsbäuche der Schwangeren auf. Die Augenjagd hatte begonnen und so entwickelte sich das Thema Bauch weiter, auch geografisch: Ihr Erzählband trug nun den Untertitel «Die Ausweitung der Gürtellinie in unerforschte Gebiete».

Ist das Material beisammen, wird es gesichtet und ausgewählt. Isolde Schaad: «Der Auswahlprozess ist vergleichbar mit einer Skulptur, die man aus einem Marmorblock Schicht um Schicht herausarbeitet.» Danach legt sie das Material beiseite und schreibt sich frei. Erst am Schluss folgt das Dessert des ganzen Schreibprozesses: die Feinarbeit am Text.

Ein Oeuvre aus 30 Jahren

1984 ist ihr erstes Buch «Knowhow am Kilimandscharo» erschienen, mit dem sie vor allem in der Schweizer Entwicklungshilfeszene für Aufruhr sorgte, weil sie deren Arbeit in Ostafrika mit viel Sprachwitz und genauer Beobachtung kritisch unter die Lupe nahm. Die Literaturkritik war von ihrem Buch sehr angetan. Damit war für Isolde Schaad klar: sie wählte den unbequemen, wirtschaftlich risikoreichen Weg einer freien Schriftstellerin. Bis heute hat sie es nicht bereut. Ihr Oeuvre ist umfangreich (einzig aus Platzgründen empfehlen wir am Schluss des Artikels nur drei ihrer Bücher), die Liste der Auszeichnungen ebenso.

Ein Ort für Literatur in Wipkingen

Isolde Schaad, 1944 in Schaffhausen geboren, lebt seit 1967 in der Stadt Zürich und seit 1979 in Wipkingen, wo sie in der selbst verwalteten Wohnbaugenossenschaft Neuland, die sie mitbegründet hat, mit 15 weiteren Genossenschaftern und Genossenschafterinnen und deren Nachwuchs wohnt. «Diese Wohnform ist ideal für freie Kulturschaffende, Intellektuelle und selbständige Gewerbler, also für Leute mit kleinem Einkommen,» sagt sie. Die Wohnungen seien bezahlbar, sie richteten sich nach der Kostenmiete: «Wir entscheiden unseren Mietzins selber. Allerdings muss man in dieser Wohnform tolerant und sozial sein: Wir haben in unserer Genossenschaft viele Konflikte erfolgreich bewältigt.» An Wipkingen gefällt ihr die zentrale und urbane Lage, die Nähe zur Bahn und vor allem die Nähe zur Limmat. Im Sommer locken die beiden Badis Oberer und Unterer Letten, in der sich das Thema Bauch und weiterer Stoff für den Erzählband herauskristallisierte, im Winter war es früher die Buchhandlung «Am Rand» in der Nähe des Röschibachplatzes. Leider sei die Buchhandlung aber geschlossen worden. Wenn sie denn einen Wunsch offen hätte, so Isolde Schaad, würde sie sich eine Buchhandlung am neu gestalteten Röschibachplatz wünschen – ein Ort für Literatur in Wipkingen.

Literaturtipps:

 

  • Isolde Schaad, Am Äquator. Die Ausweitung der Gürtellinie in unerforschte Gebiete, Erzählungen, Limmat Verlag, Zürich 2014. Geschichten, die direkt in den Bauch gehen. Lustvoll, humorvoll und tiefgründig erzählt
  • Anlässlich des 70. Geburtstags von Isolde Schaad am 9. Oktober 2014 verlegt der Limmat Verlag ihren Roman «Robinson und Julia» als Hörbuch. Gelesen wird die Hörbuchfassung vom österreichischen Schauspieler Wolfram Berger. Schon heute ist sicher: es wird ein Genuss pur!
  • Isolde Schaad, Die Zürcher Constipation. Texte aus der extremen Mitte des Wohlstands, Limmat Verlag, Zürich 1986. Die besten Geschichten zu und über Zürich – immer wieder gerne gelesen.
  • Für Anfragen, Lesungen, etc wenden Sie sich bitte an den Limmat Verlag: Tel. 044 445 80 80 oder www.limmatverlag.ch/.

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