Hammer! – Quartierverein Wipkingen soll vertrauliches Dokument des ZVV erhalten

Der Zürcher Verkehrsverbund müsse dem Quartierverein Wipkingen bisher vertrauliche Fahrplandaten herausgeben, hat das Verwaltungsgericht entschieden. Es geht ihm vor allem um Grundsätzliches zum Informations- und Datenschutzgesetz.
 
Artikel von Reto Flury in der NZZ vom 9.5.2018, 14:14 Uhr
 
«Hammer!», jubelt der Quartierverein Wipkingen in einer Mitteilung, «David gewinnt gegen Goliath.» Was beim Verein Festlaune aufkommen lässt, ist ein kürzlich ergangenes Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts. Es gibt darin dem Quartierverein recht und verpflichtet den Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), ein wichtiges Dokument herauszugeben: die sogenannte Netzgrafik zur S-Bahn 2G, die der ZVV im November 2014 beim Bundesamt für Verkehr eingereicht hat.
 
Der Quartierverein fordert das Dokument, weil er für die baldige Wiedereinführung des Viertelstundentakts am Bahnhof Wipkingen kämpft. Seit der Eröffnung der Durchmesserlinie fährt die S 8 durch den Berg und lässt den Bahnhof links liegen. Der ZVV stellt sich auf den Standpunkt, dass ein weiterer Halbstundentakt erst irgendwann nach 2030 möglich ist, lässt sich aber nicht in die planerischen Grundlagen blicken. Daher das Interesse des Quartiervereins an der Netzgrafik: Sie bildet grafisch den Fahrplanentwurf für den Regional- und Fernverkehr für 2030 ab. Aus dem Urteilstext geht hervor, dass die Wipkinger die Daten einem Planungsbüro weiterreichen wollen, damit es prüfe, ob nicht doch Alternativen möglich wären.
 
Das Verwaltungsgericht misst dem Interesse des Vereins für sich allein zwar eher wenig Gewicht zu, wie es schreibt. Immerhin habe der ZVV sein Anliegen aufgenommen und beim Bund deponiert. Dass das Gericht die Beschwerde dennoch gutheisst, hat vor allem mit seinen grundsätzlichen Überlegungen zum Informations- und Datenschutzgesetz (IDG) zu tun. Das Gesetz regelt unter anderem den Zugang zu amtlichen Dokumenten. Es dient dem Quartierverein als Grundlage, seit er 2015 beim ZVV die Fahrplandaten bestellte.
 
Die Demokratie fördern
 
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts kann die Herausgabe tatsächlich falsche Erwartungen wecken und zu Diskussionen führen. Allerdings würden diese Interessen des ZVV an der Geheimhaltung dem Zweck des Gesetzes teilweise zuwiderlaufen, schreibt das Gericht. Es soll nämlich durch Transparenz die freie Meinungsbildung fördern und die Kontrolle staatlichen Handelns garantieren, um «die Teilnahme an der Demokratie zu erleichtern».
 
«Von einer Verwaltungsbehörde […] darf erwartet werden, dass sie sich nicht von unsachlichem Druck von aussen beeinflussen lässt.»
 
Gemäss dem Informationsgesetz sind amtliche Dokumente grundsätzlich öffentlich. Allerdings könnten die Ämter aus mehreren Gründen eine Herausgabe verweigern. Der ZVV argumentierte unter anderem, die Netzgrafik sei gar keine Information nach IDG. Es handle sich bloss um einen Entwurf des Fahrplans. Allerdings hatte der ZVV im November 2014 die Daten selber beim Bundesamt für Verkehr übergeben, dies im Hinblick auf den Bahnausbau 2030. Daraus leitet das Verwaltungsgericht ab, dass die Grafik sich nicht mehr im Stadium eines Entwurfs befand. Zudem widerspreche es dem Transparenzgebot, wenn der ZVV die Netzgrafik laufend ergänze und damit immer argumentieren könnte, es handle sich um ein nicht fertiggestelltes Dokument, schreibt es.
 
Politischer Druck?
 
Weiter war der ZVV der Meinung, eine Herausgabe könnte den internen Meinungsbildungsprozess stören – ein weiterer Hinderungsgrund gemäss IDG. Für das Gericht bleibt aber unklar, warum aufgrund der Dokumente politischer Druck ausgeübt werden könnte. Von einer Anstalt wie dem ZVV dürfe erwartet werden, dass «sie sich nicht von unsachlichem Druck von aussen beeinflussen» lasse, hält es fest. Auch die Begründung, die Übergabe der Daten könnte die Beziehungen zum Bund und zu anderen Kantonen gefährden, lässt das Gericht nicht gelten. Unter dem Strich stützt das Gericht den Quartierverein und hebt damit eine Verfügung der Volkswirtschaftsdirektion auf. Die Kosten werden dem ZVV auferlegt.
 
Der ZVV hat noch nicht entschieden, ob er das Urteil anfechten will. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts werde derzeit noch geprüft, teilt die Medienstelle auf Anfrage mit.
 
Urteil VB.2016.00597, nicht rechtskräftig.
 
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