Eröffnung des Büros: Offene Jugendarbeit (OJA)

Offene Jugendarbeit (OJA):

In Wipkingen, wo man jahrelang vergeblich nach geeigneten Räumen für einen Treff gesucht hatte, ist kürzlich beim Bahnhof ein Jugendbüro als Anlauf- und Koordinationsstelle für verschiedenste Projekte im Quartier eröffnet worden.

Am 25.06.05 gibt’s ein Openair im Wipkingerpark! – Drei 15-jährige Jungs organisieren dies mit Untersützung der OJA und mit dem Soziokulturmobil und in Zusammenarbeit mit der SHL und dem GZ führen wir dies durch.

Bilder von der Eröffnung in der Galerie unten.

 

14. Januar 2005, Neue Zürcher Zeitung

Weit mehr als Hüter von Jugendtreffs

Zürichs offene Jugendarbeit mit veränderter Zielsetzung

Seit rund zwei Jahren wird Zürichs offene Jugendarbeit grösstenteils vom Verein OJA geführt. Mit professionalisierten Strukturen soll frischer Wind in die Jugendarbeit gebracht werden. Die Ausrichtung entwickelt sich zusehends vom einst zentralen Führen von Treffs hin zu offeneren und stärker von Jugendlichen mitgestalteten Angeboten.

urs. In den 1990er Jahren verstand man unter Jugendarbeit vor allem das Führen von Jugendhäusern. Mit dieser Auffassung, die in den achtziger Jahren aus der Forderung nach autonomen Jugendzentren erwachsen war, ist man inzwischen an Grenzen gestossen. Innerhalb einzelner Treffs begannen sich Probleme zu kumulieren – beispielsweise, indem bestimmte Gruppierungen von Jugendlichen Lokale richtiggehend okkupierten. Manchenorts führten chaotische Zustände gar zu Schliessungen. Die Jugendarbeit hat neue Wege zu gehen: Diese Einsicht ist kantonsweit in verschiedenen Gemeinden gereift, wobei einige schon in den neunziger Jahren Vorarbeit leisteten. Ein zentrales Element, das in mittlerweile entstandenen kommunalen Jugendleitbildern oft verankert ist, stellt die sogenannte aufsuchende Jugendarbeit dar: Statt dass die Zielgruppe an einem festen Standort «empfangen» wird, wird der Kontakt zu ihr an ihren Aufenthaltsplätzen hergestellt, damit dort beispielsweise eine sinnvolle Freizeitgestaltung angeregt werden kann.

Anlaufstellen statt Jugendtreffs

In der Stadt Zürich werden die meisten entsprechenden Institutionen seit rund zwei Jahren vom Verein Offene Jugendarbeit (OJA) geführt. Dieser wurde mit dem Ziel gegründet, die zuvor von ehrenamtlich geleiteten Vereinen getragenen Quartiereinrichtungen in eine professionelle Gesamtstruktur einzubinden. Inzwischen führt OJA mit an Leistungsverträge gebundenen Subventionen des Sozialdepartements stadtweit 11 von 13 Jugendtreffs und beschäftigt 30 Personen in Teilzeit. Als der Verein OJA einstieg, waren laut seiner Präsidentin Katharina Prelicz zwei von drei lokalen Jugendarbeitern nicht speziell für soziale Arbeit ausgebildet; in den von OJA geführten Betrieben sei dieser Anteil inzwischen halbiert.

Auf die in anderen soziokulturellen Bereichen zuweilen monierte Tendenz zu übertriebener Professionalisierung angesprochen, unterstreicht Prelicz die gestiegenen Anforderungen an die Jugendarbeit. Wenn deren Wirken über das blosse Hüten von Treffs hinausführe und inzwischen beispielsweise auch vermehrt die Arbeit mit Stellenlosen umfasse, setze dies viel methodisches Wissen voraus, sagt Prelicz, die als Professorin an der Luzerner Hochschule für Soziale Arbeit und als grüne Zürcher Kantonsrätin wirkt. Immer mehr Jugendlichen fehle es an rudimentären Verhaltensregeln, fügt OJA-Geschäftsleiter Martin Mennen hinzu. Mitarbeitende herkömmlicher Einrichtungen fänden sich verstärkt in der Rolle der «Nacherzieher». Dies sei mit ein Grund dafür, dass in den neunziger Jahren viele – selbst professionelle – Jugendarbeiter ausgebrannt seien. Dies habe zu hohen Fluktuationsraten in diesem Arbeitsfeld beigetragen, denen im Sinne kontinuierlicher Arbeit entgegenzuwirken sei.

OJA hat in Anlehnung an das Prinzip der aufsuchenden Jugendarbeit das Konzept der «sozialräumlichen Jugendarbeit» aufgenommen. Es wird zwar laut Mennen weiterhin feste Standorte in den Quartieren geben, doch nicht mehr im Sinne exklusiver Wirkungsorte der Jugendarbeit. In den einzelnen Treffs der bisherigen Form werde ohnehin nur eine Minderheit der Quartierjugend einbezogen. «Als Veranstaltungsort kann künftig auch ein Kirchgemeindesaal dienen», sagt Mennen. Die entsprechende Anpassung des festen Raumangebots ist schon im Gange: Der Jugendtreff Leimbach, dessen Fläche sich als viel zu gross herausgestellt hat, wird heuer durch einen sogenannten Jugendladen ersetzt. Dabei handelt es sich eher um eine Anlaufstelle als einen «Ort zum Herumhängen», wie Mennen es formuliert. Eine ähnliche Form wird in einem vormaligen Ladenlokal beim Altstetter Lindenplatz als Ersatz für einen Jugendtreff verwirklicht. In Wipkingen, wo man jahrelang vergeblich nach geeigneten Räumen für einen Treff gesucht hatte, ist kürzlich beim Bahnhof ein Jugendbüro als Anlauf- und Koordinationsstelle für verschiedenste Projekte im Quartier eröffnet worden. Welcher Art diese Projekte sein können, zeigen Beispiele aus andern Stadtteilen – etwa der von Jugendlichen erstellte Film über die Anwohner der Langstrasse (NZZ 15. 11. 03), bei dessen Vorbereitung verschiedene private und öffentliche Institutionen zusammengewirkt hatten. Oder der in mehreren Quartieren verwirklichte Sportanlass «Midnight Basketball», dessen Gründungsverein die Führung inzwischen an OJA abgetreten hat.

Die Jugend – eine heterogene Altersgruppe

Die Jugend, wie sie als Gesamtphänomen gerne dargestellt wird, gibt es nicht. Sie splittert sich wie kaum je zuvor in viele einzelne, zuweilen rivalisierende und im öffentlichen Raum präsente Szenen auf. Entsprechend flexibel müssen die Angebote sein. Man dürfe nicht einfach die Wunschlisten der Zielgruppen erfüllen, betont Mennen: Die Jugendlichen sollen in die Verantwortung genommen und dazu angeregt werden, ihre Bedürfnisse zu formulieren sowie sich für deren Abdeckung einzusetzen. Diese Erfahrung zu bieten und dabei vermehrt Coachingfunktionen zu übernehmen, müsse ein Hauptziel der Jugendarbeit werden, sagt Prelicz. Als Paradebeispiel nennt sie das Projekt «Mundwerk»: Gymnasiasten haben unlängst den Keller des Jugendtreffs Oerlikon neben der Offenen Rennbahn zum Konzert- und Veranstaltungsort umfunktioniert. OJA hat die Planung begleitet, doch die jungen Initianten legen Wert darauf, das Lokal selber zu verwalten und zu finanzieren. Mennen wie Prelicz sind überzeugt davon, dass an die heutige Jugend trotz oder gerade wegen all der Freiheiten besonders hohe Anforderungen gestellt werden. Wie soll man sich als Heranwachsender in einer scheinbar grenzenlosen und sich gleichzeitig immer unberechenbarer wandelnden Welt positionieren? Wie in Zeiten fallender Tabus jugendliche Provokationslust ausleben? «Wir dürfen unseren Einfluss auf die Entwicklungen nicht überschätzen, die Jugendarbeit ist nur ein winziges Rädchen», sagt Mennen. Doch sie könne und müsse einen Beitrag zur Heranbildung selbständiger junger Erwachsener leisten. Die in Zürichs Jugendarbeit vollzogenen Weichenstellungen böten die Voraussetzung dafür, dass ein wachsender Kreis von Jugendlichen ihre Angebote nutze.