Kultur

Einmann-Konditorei sorgt für süsse Nostalgie in der Adventszeit

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Vor Weihnachten arbeitet Bertram Beerli in seiner Konditorei in Wipkingen nonstop. Bertram Beerli hat an diesem Morgen Mailänderli und Schwabenbrötli – seine Lieblinge – frisch gebacken.

Foto: Doris Fanconi

Artikel im Tagesanzeiger vom 8.12.2014 von Ev Manz

Es ist diese unendliche Sehnsucht, die einen während der Weihnachtszeit selbst im Erwachsenenalter noch überkommt: Man wünscht sich die alte, heile und romantische Welt zurück. Die nostalgische Idylle, bei der es einem warm wird ums Herz. Jene Idylle, die auf den auf alt gestylten glitzernden Adventskalendern dargestellt ist, welche noch heute in manchen Kinderzimmern hängen. Und man möchte einfach nur eintauchen und der Hektik vor dem grossen Fest entfliehen.

Profiteroles an Heiligabend

Versteckt an der Nordstrasse in Wipkingen, in Bertram Beerlis Konditorei, ist das noch möglich. Sein winziger Laden ist eine wahre Entzückung, und schon beim Anblick von aussen wird die Sehnsucht gestillt: rosa gestrichen, ein üppig, aber doch akkurat dekoriertes Schaufenster und ein weisses Schild mit der Aufschrift «Frische Biberli mit Marzipansujet». Drinnen wird man von einem angenehm süssen Duft empfangen. Das Auge kann sich an all den Trouvaillen kaum sattsehen: alte Tortenplatten, Metallschachteln und Holzmodel, dazwischen liebevoll arrangiert und auf Spitzen drapiert Gebäck, auf der Theke sechs Glasbehälter mit je einer Sorte Weihnachtsguetsli. Die Zeit scheint stillzustehen.

Doch nicht so für Bertram Beerli. Diese Tage sind für ihn die strengsten des ganzen Jahres. Seit vier Wochen steht der 64-Jährige täglich in der Backstube. Erst Anfang Januar wird er sich in seinem Einmannbetrieb einen freien Tag gönnen. «Für die Weihnachtsfeste meiner Kunden backe ich auch an Heiligabend frisches Gebäck», sagt er. Das gilt vor allem für die Profiteroles, für die er stadtbekannt ist. Ferien? Dieses Jahr eine Woche.

Biber nach Ostschweizer Rezept

Seine erste Arbeit im November gilt immer dem Teig für die Biber. Diesen lässt er einen Monat ruhen, damit sich das Treibmittel setzen kann. Er bäckt sie nach einem Ostschweizer Rezept und füllt sie mit Mandelfüllung. So, wie es schon sein Vater getan hat. Unverkennbar wird der Biber erst mit dem Mandelmarzipan-Sujet auf der Oberseite. Dafür nutzt Beerli die 150-jährigen Holzmodel eines Künstlers aus seiner Heimatgemeinde Bischofszell. Tell, Faun, Rose, Esel und ein Mädchen im Wald hat er im Angebot. 30 bis 60 solche «Lehmann-Biber» stellt Beerli jedes Jahr her. Und noch heute reisen Bischofszeller extra nach Zürich, um sich bei ihm mit der Spezialität einzudecken. «Dünn aufgeschnitten schmecken sie übrigens am besten.»

Guetsli bäckt Bertram Beerli täglich neue. An diesem Morgen ist er von seiner Wohnung, die direkt hinter dem Laden liegt, um sechs Uhr in die Backstube ins Untergeschoss hinabgestiegen. Wer ihm etwas später folgt, kommt definitiv in der Vergangenheit an. Teigmaschinen und Ofen sind noch so, wie er sie vor 38 Jahren von seinem Vorgänger übernommen hat. «Und es funktioniert noch alles tipptopp.»

Schwierigkeit «Ofenposten»

Mailänderli und Schwabenbrötli waren an diesem Morgen dran. Letztere sind seine Lieblinge, weil sie nicht so süss sind, dafür wunderbar nach Zimt schmecken. Ein, zwei Guetsli steckt auch er sich täglich in den Mund. Beerlis Statur ist davon jedoch nichts anzumerken. Vielleicht, weil seine Guetsli eher klein sind. Dafür sind sie präzis geformt und ohne Schnickschnack, herrlich in Biss und Geschmack. Stammkunden bestellen sie bei ihm jedes Jahr, Firmen verschenken sie als Kundengeschenke. Das Wichtigste ist für Bertram Beerli der «Ofenposten». «Da muss ich immer dabeistehen, denn schon mit einer halben Minute zu viel werden beispielsweise die Zimtsterne zu braun.» Und die Spitzbuben dekoriert er nicht mit Puderzucker, sondern überzieht sie mit einer Glasur. «So, wie ich die Guetsli aufbewahre, würde der Puderzucker verwischen.»

Doch selbst das wäre einem egal. Denn gäbe es das Weihnachtskind, man hätte den einen Wunsch: Dass Beerlis Laden ewig so weiterexistiert, damit man staunen, träumen, vergessen kann.

Bertram’s Confiserie, Nordstrasse 187, 8037 Zürich, 044 361 26 09. (Tages-Anzeiger)

 

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